Was ich aus dem Verladen von Triathlon-Fahrrädern und „Ersaufens-Angst“ für meinen beruflichen Kontext gelernt habe... Ein Beitrag von Dr. Jürgen Schüppel, einem unserer vier Geschäftsführer
Seit über 25 Jahren arbeite ich jetzt schon in drei verschiedenen Rollen als Berater, Trainer und Coach, seit 23 Jahren als Geschäftsführer der change factory. Und seit 10 Jahren bin ich wieder als ambitionierter Sportler, jetzt im Sprint- und Kurzdistanz Triathlon unterwegs. In einer ausführlichen Reflexion mit meinem Trainer habe ich bemerkt, dass ich auch einige Schlüsse aus meinem Sport für meinen beruflichen Kontext ziehen konnte. Dabei ist mir klar, dass es keine eins-zu-eins-Übertragung meiner Learnings gibt, sondern die Schlüsse einer Re-Kontextualisierung bedürfen. Ich versuche es aber dennoch so einfach wie möglich zu beschreiben.
Ermutigt werden und mutig sein
Mein Sportlerherz und vor allem auch mein Wettkampfherz haben mich schon seit meiner Jugend (damals als Leichtgewichts-Ruderer) geprägt. Ich habe immer gerne trainiert, vor allem aber habe ich immer gerne „ge-wettkämpft“. Mit meiner lieben Familie und meinem Beruf ist der Sport dann zunehmend in den Hintergrund getreten. Bis zu dem Zeitpunkt, als meine Tochter über das Schwimmtraining zum Triathlon gestoßen ist. Beim Verladen des Fahrrads für die Wettkämpfe, dem Packen der Taschen und dem frühen Frühstück am Wettkampftag, war es wieder da: das Kribbeln, dieses spezielle Gefühl, das einen packt, wenn es zum Wettkampf geht.
Ich hätte allerdings nie daran gedacht, selbst mit Triathlon anzufangen und noch viel weniger an entsprechenden Wettkämpfen teilzunehmen. Dazu konnte ich weder einigermaßen vernünftig schwimmen, noch besaß ich ein Rennrad. Der Trainer meiner Tochter hat dann aber einen besonderen Moment erwischt: Wir waren bei einem Triathlon an der Olympiaregattastrecke, auf der wir früher öfters trainiert hatten und das Kribbeln, dieses spezielle Gefühl, war an diesem Tag besonders stark. Auf seine Frage, „Warum machst Du eigentlich nicht Triathlon?“, fiel mir nur ein, „Das kann ich doch nicht.“, worauf er erwiderte: „Quatsch, wieso sollst Du das nicht können? Das schaffst Du locker, wo ist denn da das Problem? Schwimmen kannst Du lernen, Räder kannst Du kaufen!“ Das war die Ermutigung, die ich brauchte, der Schubs, der meine Ängste, vor allem vor dem Schwimmen-lernen für den Moment neutralisierte. Er lud mich in das Schwimmtraining ein und lieh mir sein Rad. Es ging los.
Manchmal braucht es eben Ermutigung im „richtigen“ Moment, dann kann man auch mutig sein. Und einen ersten robusten Schritt sowie unterstützende Rahmenbedingungen, den Mut auch zeigen zu können.
Ängste ernst nehmen und mentale Blockaden lösen
Ich habe dann im Training beim Radfahren und Laufen rasch Fortschritte gemacht und konnte mich in meinen ersten Wettkämpfen ordentlich platzieren – auch wenn ich zunächst nur Brust-schwimmend bei der ersten Disziplin die (scheinbare) Kontrolle behielt. Schwimmen, nun ja, das ist technisch komplex, vor allem aber Angst-belastet. „Ersaufens-Angst“, besonders im Freiwasser, wenn gleichzeitig mit Dir Hunderte andere ins Wasser stürzen und sich mit Dir um die Bojen „kloppen“. Mir wurde klar, dass ich hier ohne professionelle Hilfe nicht weiterkomme. Ein anderer Schwimm- und Triathlontrainer hat mir dann weniger bei der komplexen Technik geholfen (das natürlich auch), sondern sehr viel mehr bei der systematischen Desensibilisierung – erst im Becken, dann im Freiwasser – erst mit Schwimmhilfen, dann ohne. Mein Glaubenssatz, dass ich recht bald untergehe und ersaufe, wurde behutsam konfrontiert und schließlich durch einen produktiveren ersetzt: Dass ich mich recht lange, auch ohne Luftholen, im Wasser sportlich bewegen kann.
Manchmal ist es eben hilfreich, langsam aber sicher, Schritt für Schritt die notwendige Verhaltenssicherheit zu gewinnen, alles Mögliche im Training zu simulieren, Ängste konkret zu besprechen und am Ende dadurch mentale Stärke aufzubauen.
Ziele setzen und ungeschminktes Leistungsfeedback
Mein Ehrgeiz war geweckt, ordentliche Platzierungen haben mir bald nicht mehr gereicht. Ich wollte Wettkämpfe auch schon in meiner Jugend immer bestmöglich und möglichst weit vorne absolvieren. Für das Training hatte ich dafür einen weiteren Glaubenssatz von früher wiederverwendet: „Viel hilft viel“. Das war mein Credo entlang der damals gültigen Trainingsphilosophie. Auch das wurde zügig von meinem Coach konfrontiert. „Was willst Du denn eigentlich langfristig in diesem Sport erreichen? Und wie viel Aufwand kannst Du denn dafür neben Familie und Beruf investieren?“ Das waren die Klärungsfragen, die er angesichts meines umfangreichen Trainingspensums von mir wissen wollte. Ich habe dann festgestellt, dass ich gerne viele Wettkämpfe machen möchte und ca. 8 bis 12 Stunden Trainingszeit pro Woche investieren kann. Mittel- und Langdistanzen waren damit eher weniger, Sprint- und Kurzdistanzen eher mehr für diese Perspektive geeignet.
Und dann der Blick auf die unbestechlichen Leistungsdaten. Mit den heute verfügbaren Sportuhren kann jeder Amateur ganz einfach die Wirksamkeit seiner Trainingseinheiten nachvollziehen. Instant Feedback: Watt, Herzfrequenz, Trittfrequenz, Bodenkontaktzeit, Schrittfrequenz, Swolf-Wert etc. geben ein klares und ungeschminktes Feedback. Manchmal sogar sehr hart und schonungslos. Bei mir war das eine recht klare Aussage: Immer dasselbe umfangsbetonte Training führt zu immer demselben Effekt mit abnehmenden Grenznutzen. Wir haben dann die Trainingszeit reduziert, die Intensitäten variiert und damit die Wirksamkeit deutlich erhöht. Und so war „weniger ist mehr“ der neue Glaubenssatz für mich.
Manchmal ist die Richtung schon irgendwie klar, aber eben doch nicht wirklich. Es hilft, sich der Richtung nochmals explizit zu vergewissern. Und ebenso, was für den Weg investiert werden kann und ob das auch umsetzbar ist und zum gewählten Ziel passt.
Disziplin und locker lassen
Ich wusste jetzt viel besser, warum ich was und auch wie ich es tue. Das schafft Klarheit und ist schon per se ein ziemlicher Antrieb. Gleichzeitig ist Sport im Kontext eines vollgepackten familiären und beruflichen Alltags – und auch Sport im Freien allgemein – eine ziemliche Herausforderung. Es gibt eigentlich immer einen guten Grund, den Sport ausfallen zu lassen. Hier ist Disziplin gefragt. Jeden Tag, immer und immer wieder. Auch wenn es natürlich schöner wäre, um 17.00 Uhr bei Sonnenschein die intensiven Laufeinheiten (insbesondere wenn es sogenannte „Key Sessions“ sind) zu absolvieren, ist es immer noch besser, sie um 21.00 Uhr bei Regen, als gar nicht zu machen.
Gleichzeitig sollte Disziplin kein Zwang werden, die Trainings Session nur des Absolvierens wegen durchzuführen, sondern mit einem konkreten Ziel und vor allem sinnvoll bezüglich der gewählten übergeordneten Richtung. Hier habe ich in Zusammenarbeit mit meinem Trainer eine gute Balance aus Trainingsplanung, disziplinierter Umsetzung der wirklich wichtigen Sessions und dem „Stecker ziehen“, wenn es halt mal nicht geht, gefunden.
Manchmal ist es eben gut, Veränderungen sehr konsequent zu verfolgen, weil sie sonst keine „echte“ Chance auf erfolgreiche Umsetzung haben. Aber auch mal eine Ausnahme machen zu dürfen, damit man sich nicht selbst in seinen Ansprüchen überfordert und daran scheitert.