Felix Hallecker im Interview

Im Interview stellt sich Felix Hallecker vor, der seit Juni 2024 als freier Trainer und Coach an Bord ist.

Was hat deine Leidenschaft für Change Management entfacht? 

Ich habe 2015 begonnen Projektleiter*innen und Führungskräfte als Lean Six Sigma Belts auszubilden und sie als Coach methodisch in ihren Projekten zu begleiten. Der Faktor Mensch spielt in der reinen Theorie der Prozessoptimierung eine untergeordnete Rolle. Leider sieht es in der Praxis meist nicht anders aus. Das höchste der Gefühle ist ein kleiner Ausflug zum Thema Stakeholder Management. Und obwohl die Grundlage erfolgreicher Prozessoptimierung der Buy-In derjenigen ist, die sie in der Praxis umsetzen sollen, scheint es doch ein Nebenthema zu bleiben. Auf wiederholte Fragen meiner Coachees, wie sie die operativen Teams auf die Veränderung vorbereiten, sie in die Organisation kommunizieren und Widerstände auflösen, hatte ich damals keine Antwort. Aus diesem Grund begann ich mich in Coaching Ausbildungen weiterzubilden. Mein Startpunkt war die Frage, wie individuelle Veränderungen effektiv angestoßen und umgesetzt werden können. Diese Frage führte mich zum NLP, dem Profiling und später zu systemtheoretischen Ausbildungen, die mein Wissen über effektive Veränderung von Individuen zu Teams, Organisationen, Systemen erweiterte. Seitdem hat mich die Leidenschaft gepackt, Menschen und Organisationen dabei zu unterstützen benötigte Veränderungen zu initiieren und umzusetzen. Die vor nun fast 10 Jahren entfachte Leidenschaft, führte mich letztendlich zur change factory.

Was hat dich dazu bewogen, dich der change factory anzuschließen? 

Es ist ein kalter und verregneter Tag Anfang September 2020. Um 17:30 Uhr haben die letzten Teilnehmer*innen des zweiten Lean Six Sigma Black Belt Moduls den Raum verlassen. Draußen ist es bereits dunkel und ich bereite den nächsten Tag vor. Es ist nicht das erste Mal, dass die Fragen des heutigen Tages weniger auf das Thema Prozessoptimierung, sondern vielmehr auf das Thema der Veränderung abzielen. Wie kreieren wir einen echten Buy-In bei unseren Teammitgliedern? Wie kommunizieren wir die Veränderung und deren Hintergrund in der Organisation? Wie sorgen wir dafür, dass wir die Menschen, deren Funktionen sich durch die prozessualen Anpassungen drastisch verändern, nicht verlieren? Schon seit einiger Zeit sind es eben jene Fragen, die auch mich mehr interessieren als die reine Verbesserung von Prozessen. Daher ist es auch nicht das erste Mal, dass ich mich Frage, warum das Konzept, dass ich vor Ort umsetzen soll so wenig Raum für deren Beantwortung lässt.

Um 18:30 Uhr klingelt mein Handy. Da ist mir meine Frau wohl zuvorgekommen, denke ich. Aber es ist nicht meine Frau, sondern mein Chef. Neugierig und etwas verwundert nehme ich ab. Nach ein wenig Smalltalk, spricht er die vor kurzen angestoßene Veränderung der Unternehmens an. Eine neue Organisationsstruktur, neue Rollen und, damit verbunden, neue Karrierepfade. Und dann, wie aus dem Nichts, die Frage, die für mich alles verändern wird: Möchtest du Manager werden? Ich solle mir einige Tage Bedenkzeit nehmen. Grundsätzlich ist es ein tolles Angebot. Mehr Geld, mehr Verantwortung und vor allem mehr Gestaltungsspielraum. Allerdings ausschließlich im Rahmen der Prozessoptimierung. Als ich mich Frage, ob mich diese Position in einem Jahr glücklicher machen würde, ist die Antwort schnell klar: Nein. Aber was würde mich stattdessen glücklich machen? Nach ein paar Tagen und viel Reflexion habe ich eine Antwort darauf. Ich möchte mehr mit eben jenen Fragen arbeiten, die von den Teilnehmer*innen am Tag des Anrufs gestellt wurden.

Es ist bereits Ende September. Nach vielen Gesprächen und noch mehr Überlegungen, stehe ich in Berlin vorm Briefkasten und werfe meine Kündigung ein. Ich habe meine Entscheidung getroffen: Ab Januar 2021 mache ich mich selbstständig. Aber wie geht das überhaupt? Wie komme ich an Kunden und wie positioniere ich mich? Und wen kenne ich, die diese Erfahrungen selbst gemacht hat und mir helfen könnte? Ein paar Wochen später sitzen Christiane Lange und ich beim Kaffee im Prenzlauer Berg. Ich bin gut vorbereitet, habe Fragen über Fragen mitgebracht. Letztendlich kommt die einfachere Frage aber von Christiane selbst: Hast du nicht Lust Teil meines Teams zu werden? Und so stehe ich am nächsten Tag mit Christiane und ihrem Team beim Fotografen, um Fotos für die neue Website machen zu lassen. 

Seitdem ist viel Zeit vergangen. Neben Führungskräfteentwicklungsprogrammen und Workshops mit Christiane, habe ich mir eine GmbH mit einem eigenen Kundenstamm aufgebaut. Wie viele andere Selbstständige, bin ich eine Art „One Man Show“. Rückblickend war der Schritt in die Selbstständigkeit genau das Richtige. Und trotzdem vermisse ich es ab und zu in einem Team zu arbeiten, gemeinsam Konzepte auf die Beine zu stellen, mich von anderen Menschen und deren Wissen inspirieren und challengen zu lassen. Ich habe mich der change factory angeschlossen, weil ich hoffe, dort beides tun zu können: Gleichgesinnte und Sparringspartner*innen finden, die für ähnliche fachliche Fragestellungen brennen wie ich, Teil eines Teams sein, das eben jene Fragen gemeinsam vorantreibt, voneinander lernt und sich gegenseitig inspiriert, während ich gleichzeitig meine geliebte Unabhängigkeit der Selbstständigkeit erhalte. 

Wo liegen deine Schwerpunkte bei der Arbeit in der change factory? Welche Fragestellungen beim Kunden reizen dich besonders? 

Bisher habe ich noch kein Projekt mit der change factory gemacht. Die Fragestellungen, die mich bei Kund*innen reizen, lassen sich jedoch mit einer Metafrage ganz im Sinne Gregory Bateson’s beantworten: „What is the difference, that makes a difference“. Was hilft Führungskräften, Teams und letztendlich Organisationen dabei sich zu verändern? In meiner Arbeit außerhalb der change factory, begleite ich Führungskräfte in Entwicklungsprogrammen und Einzelcoachings dabei diese Frage zu beantworten, Teams dabei ihre Dynamiken zu analysieren und gezielt zu verändern sowie Organisationen, u.a. durch die Einführung von Zielsystemen, Einfluss auf ihre Kultur und langfristige Positionierung zu nehmen. Diese Schwerpunkte möchte ich auch bei der change factory einbringen. Gleichzeitig freue ich mich sehr darauf, meinen Horizont zu erweitern, neue Erfahrungen zu machen und Neues zu lernen. 

Wie lange, meinst du, wird es noch Bedarf für change Beratung geben?

Sowohl Individuen als auch Teams und Organisationen sind autopoietische, also sich selbst erschaffende, organisierende und reproduzierende Systeme. In diesem Prozess entwickeln sie ein eigenes Modell der „Realität“, eine Landkarte, mit der sie sich in dieser Welt zurecht finden. Sie beinhaltet explizite Überzeugungen von Gut und Böse, unausgesprochene Regeln und Paradigmen und markiert die Grenzen des eigenen Horizonts. Veränderung bedeutet jedoch meist die eigenen Grenzen zu überwinden und zu erweitern. Namentlich selbst gesetzte und dazu noch unbewusste Grenzen, stellen dabei eine große Herausforderung dar. 

In der Praxis sitzen Führungskräfte im Coaching, die durchaus verstehen, dass sie mehr delegieren, mal nein sagen oder weniger (bzw. gar nicht) ihre Mitarbeiter*innen anschreien sollten, aber es „einfach nicht können“. Teams sind sich den Problemen in der Zusammenarbeit durchaus bewusst, haben jedoch Schwierigkeiten ihr Verhalten zu ändern. Ganze Organisationen leiden darunter, dass Fehler vertuscht werden und beginnen Schuldige zu suchen. Kurzfristig führt das zwar zur psychischen Entlastung einiger weniger, bringt die Organisation jedoch kaum weiter in der Frage, wie es dazu kommt, dass Fehler verheimlicht werden und in ihrer Konsequenz zu unzufriedenen Kund*innen führen. 

Genau an dieser Stelle kann eine externe Perspektive Gold wert sein. Jemand, der eine Beobachterposition einnimmt, eine Metareflexion anstößt und Menschen aufrüttelt, damit sie in der Lage sind selbst eine neue Perspektive einzunehmen und sich durch die Veränderung begleiten zu lassen. Daher glaube ich, dass der Bedarf für Change Management noch sehr lange, wenn nicht für immer – in der einen oder anderen Weise – bestehen bleibt. Aber wer weiß schon, was die Zukunft bringt…

Was macht dich als Berater aus? 

Ich hatte immer ein Problem mit dem Begriff „Berater“. Geprägt durch meinen ersten Job in der Beratung, entstand eine Landkarte des Beratungsbegriffs, in der Berater Lösungen mitbringen, Trainer Wissen vermitteln und Coaches Individuen, Teams und Organisationen dabei unterstützen selbst Lösungen zu entwickeln. Ich habe mit 25 Jahren begonnen in der Beratung zu arbeiten. Nicht selten hatten die Kund*innen mir mehr als 20 Jahre Berufserfahrung voraus. Wer war ich diesen Menschen zu sagen, wie sie ihre Arbeit zu tun hatten (mal angesehen davon, dass ich es sowieso nicht konnte)?

In meiner Laufbahn als Berater war ich immer wieder in der Situation, Gruppen von Kolleg*innen übernehmen zu müssen. Regelmäßig wurden mir in vorherigen Briefings besonders „schwierige“ Teilnehmer*innen genannt, die ich im Blick haben müsse, damit sie nicht alles zerschießen. Querulanten, Querschläger*innen und Skeptiker*innen, die Widerstand um des Widerstands Willen aufbringen. 

Heute weiß ich, dass ich diese vermeintlichen Hindernisse vor allem deswegen (fast immer) überwunden habe, weil ich nie suggeriert habe, meine Methode, meine Meinung oder Perspektive seien die richtigen. Vielmehr bin ich neugierig, was hinter den Menschen, hinter möglichen Widerständen steckt und wie meine Kund*innen und ich in der Lage sind, gemeinsam zu lernen und uns weiterzuentwickeln. Ich sehe mich als Sparringspartner, der Kund*innen auf Augenhöhe begegnet, das Privileg hat so lange Fragen eines Unwissenden stellen zu dürfen, bis ich das aktuelle Konstrukt (vermeintlich) verstanden habe. Die Idee, dass das heutige Problem die Lösung eines früheren Problems ist und daher eine positive Absicht beinhaltet, sorgt oftmals für Akzeptanz, Wertschätzung des Gegenwärtigen und die Möglichkeit einen Raum für Reflexion zu öffnen. Während ich den Eindruck habe, dass der Begriff „Berater“ bis heute in vielen Organisationen anschlussfähiger ist, sehe ich mich persönlich vielmehr als Begleiter, als Coach. 

Was macht mich also aus? Ich habe die Fähigkeit sehr schnell eine vertrauensvolle zwischenmenschliche Beziehung aufzubauen. Diese ermöglicht es mir neue, manchmal unkonventionelle Perspektiven anzubieten, „harte Realitäten“ direkt anzusprechen bzw. Kund*innen darin unterstützt, diese selber aufzudecken. Bin ich Berater, Coach oder beides? Es ist mir nicht wichtig. Es sind Labels, die manchmal mehr, manchmal weniger anschlussfähig sind. Unabhängig davon möchte ich Kund*innen dazu befähigen, die Grenzen ihrer eigenen Landkarten bewusst zu machen, sie zu überwinden und sich letztendlich zu verändern.

 

 

 

 

 

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