Ein Beitrag von Ulrich Gerndt, einem unserer vier Geschäftsführer
Sind Sie Führungskraft? Dann werden Sie wahrscheinlich auch die folgende Aussage bestätigen: „Führung unter normalen Umständen ist schon schwer genug. Aber wenn Zeiten – so wie momentan – richtig komplex werden, dann stoßt man (oft) an seine Grenzen.“
Denn in normalen Zeiten (die es gefühlt einmal gab und von der sich sicher viele fragen, ob es sie überhaupt wieder geben wird) konnte man ja zumindest auf bewährte Routinen und „Best Practices“ zurückgreifen. Man hat die Umsatzplanung für das neue Produkt Y einigermaßen routiniert abgegeben, weil es grob vergleichbar war mit Produkt X, das man vor einigen Jahren in einem vergleichbaren Markt eingeführt hatte. Und auch den verunsicherten Bereichsleiter M. konnte man beruhigen, weil man seine Themen „Low-Performer, Rivalität unter zwei Kollegen und zu wenig Budget“ schon etliche Male in anderen Konstellationen erlebt und gemanaged hatte.
Aber jetzt? Prognosen abgeben für Produkte in Märkten, die gerade komplett gedreht werden und von denen man neue Zielgruppe noch gar nicht kennt? Beruhigen und Führen eines Teamleiters, der sein durch die Pandemie komplett verunsichertes Team nicht mehr zusammenhalten kann, weil er selber mit der Situation nicht zurechtkommt? Oder Planen von Veranstaltungen mit Kunden, die evtl. wieder nicht stattfinden dürfen? Es gibt in komplexen Zeiten wie derzeit keine Routinen oder „Best Practices“, auf die man als Führungskraft zurückgreifen kann. Weil es eine vergleichbare Situation für diese Generation noch nicht gab.
Also Chaos pur? Nein, denn natürlich sehen wir viele Unternehmen, die auch sehr erfolgreiche Wege durch die Krise finden. Was zeichnet sie nach der Einschätzung von Uli aus? „Sie geben ihren Mitarbeitern vor allem durch ihre Grundhaltung Orientierung, durch „deliberate calm“ und „bounded optimism“ (nach Jacqueline Brassey und Michiel Kruyt):
„Deliberate calm“, also besonnenes Agieren.
Was ist damit gemeint? Man wendet den Blick zunächst von der konkreten Situation ab und versucht, mit etwas Abstand nach Lösungen zu suchen anstatt instinktiv und spontan zu reagieren. Das heißt nicht, dass man die Unsicherheit, die mögliche Angst vor der schwierigen Situation ignoriert. Nein, im Gegenteil, eine Führungskraft, die besonnen agiert, erkennt, dass jede Krise auch immer wertvolle Informationen für ihre Bewältigung liefert. Eine ruhige Herangehensweise anstatt „hektisches Agieren“ hilft also besonders in komplexen Zeiten.
Eine weitere wichtige Grundhaltung ist „bounded optimism“, die Hoffnung auf der Basis eines starken Realitätssinns.
In Krisen erwarten Mitarbeiter von ihren Führungskräften, dass sie Probleme schnell lösen. Das ist verständlich, aber in der Regel nicht möglich. Und es hilft auch nicht, mit einem Überschwang an Optimismus und allgemeinen Sätzen mit der Situation umzugehen. Viel wichtiger ist es, einen „authentischen Optimismus“ auszustrahlen und dem Team zu sagen: “Ich erkenne den Ernst der Lage, aber ich werde alles dafür tun, dass wir Wege durch die Krise finden werden.“
Ok, sagen Sie vielleicht, klingt überzeugend, aber wie schaffe ich es, diese Haltungen an den Tag zu legen, wenn ich vom Typ her vielleicht doch zum „schnellen Agieren“ und Pessimismus neige? Hier kann Sie z.B. das Denkmodell des „Einflusskreises“ unterstützen, der aus zwei Kreisen besteht: Außen der „circle of concern“, innen der „circle of influence“. Wichtig ist, sich vor allem in Krisen auf seinen „circle of influence“ zu fokussieren. Was ist machbar und was sind die konkreten nächsten Schritte (für die nächsten Stunden, die nächsten Tage …?). Diese Herangehensweise trägt nach Ulis Beobachtungen sehr gut dazu bei, eine besonnene und authentische Haltung auszustrahlen und den Mitarbeitern Orientierung zu geben.
Und? Wie sieht Ihre Grundhaltung derzeit aus? Wie schaffen Sie es, Ihr Team besonnen und mit authentischem Optimismus in diesen Zeiten zu begleiten und zu führen? Ulrich Gerndt ist neugierig auf Ihre Erfahrungen und Ihre Tipps und teilt auch gerne seine Eindrücke aus den letzten Monaten mit Ihnen. Sprechen Sie ihn gerne an (ulrich.gerndt@change-facory.de).